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Erfahrungsbericht Conni

Moin moin, mein Name ist Conni und beim folgenden Text handelt es sich um meine persönliche Perspektive auf die Problematik rund ums Thema Sabot. Ich war im Verein seit 2017 aktiv und zu meinen Aufgaben gehörte vor allem ab 2018 das Booking des Ladens sowie die Technik bei Konzerten. Bevor ich ins Sabot kam, hatte ich bereits in anderen Läden sowohl in Konzertgruppen als auch alleine Konzerte veranstaltet.

In diesem Text werde ich anhand einiger Situationsbeschreibungen versuchen, deutlich zu machen, welche Verhaltensweisen und Strukturprobleme meiner Meinung nach zum letztendlichen Scheitern des Projekts geführt haben. Zunächst ein paar Worte zu meiner Intention: Das Sabot war nicht der erste linke vermeintliche Freiraum, in dem ich aktiv war, und auch in anderen Projekten konnte ich viele der gleich beschriebenen Verhaltensweisen beobachten. Mit den Beschreibungen möchte ich Andere – vor allem FLINTAs -, die ähnliche Situationen vielleicht selbst schon erlebt haben, ermutigen, strukturelle Probleme offen zu thematisieren und vor allem sich gegenseitig zu unterstützen, auch wenn die ein oder andere Auseinandersetzung unbequem erscheint. Mir geht es nicht darum, konkrete Einzelpersonen öffentlich an den Pranger zu stellen, sondern lediglich toxische Umgangsarten genauer zu beschreiben und damit anderen Menschen zu helfen, diese auch im eigenen Umfeld vielleicht früher als ich zu erkennen. Bevor außerdem jemand den überaus „hilfreichen“ Rat äußert, ich hätte den Laden ja einfach schon viel früher verlassen können, wenn es mir dort nicht gut ging, möchte ich hier direkt betonen, dass es in Mainz/Wiesbaden nicht gerade viele Alternativen gab, in denen ich sonst meine Konzerte hätte veranstalten können. Ganz abgesehen davon mochte ich die Atmosphäre des Sabot sehr und hatte vor meiner aktiven Zeit dort auch gerne mal Konzerte besucht. Zuletzt verfasse ich diesen Text öffentlich mit meinem Namen, weil ich für andere Betroffene eine direkte Ansprechpartnerin sein möchte, was nicht heißt, dass ich mit neugierigen Leuten darüber diskutieren möchte, ob ich nicht einfach alles fehlinterpretiert und völlig überreagiert habe.

Zunächst möchte ich meine ersten Eindrücke vom Sabot schildern, als ich mich zum Vereinseintritt entschieden hatte. Ich hatte kurz vorher ziemlich frustriert einem anderen Laden den Rücken gekehrt, in dem ich bis dahin ein paar Jahre lang Konzerte veranstaltete. Dort haben sich im Laufe der Zeit auch viele Probleme angestaut, von einem wenig verantwortungsbewussten und solidarischen Nutzen des Raums bis hin zu einem teilweise äußerst respektlosen Miteinander auf dem Plenum. Die Idee, ins Sabot hinüber zu wechseln, hatte ich gemeinsam mit zwei Freunden, die ebenfalls den vorherigen Raum verlassen wollten.
Als ich dann ins Sabot kam, war ich entsprechend gefrustet und habe gehofft, dort auf weniger Widrigkeiten zu stoßen. Der Laden an sich gefiel mir wie gesagt sehr gut. Für meine Art von Konzerten hatte er genau die richtige Größe, außerdem waren dort viele nette Leute aktiv, die sich gerne gegenseitig unterstützt und sehr viel Zeit und Mühe in die Aufrechterhaltung des Ladenbetriebs investiert haben. Mit vereinzelten Personen wurde ich von Anfang an nicht wirklich warm, was ich aber als relativ normal angesehen habe, schließlich sind sich ja nicht immer alle Menschen gleichermaßen sympathisch. Was mir bereits recht früh aufgefallen war, war allerdings das offensichtliche Machtgefälle zwischen Vereinsvorsitz und übrigen Vereinsmitgliedern. Das äußerte sich beispielsweise darin, dass auf Plena manche Themen, die eigentlich schon besprochen waren, mehrmals diskutiert wurden, weil dem Vorstand das Ergebnis offensichtlich nicht passte. Zudem gab es gerade von Seiten des Vorstands einen oft ziemlich respektlosen Umgangston mit anderen Personen im Plenum, desweiteren war es recht üblich, dass einzelne Menschen ins offene Büro heraufgerufen wurden, anstatt dass man selbst auf sie zugeht, wenn man etwas von ihnen möchte. All das fand ich damals schon recht sonderbar, da diese Verhaltensweisen aber nie von den anderen Vereinsmitgliedern thematisiert wurden, habe ich sie als neu Hinzugestoßene zunächst erst mal nicht laut kritisieren wollen. Für weitere grundlegend problematische Strukturen folgen jetzt ein paar Beispiele.

  1. Machtspielereien

Der Vereinsvorstand bestand fast von Anfang meiner aktiven Zeit an aus drei wesentlichen Positionen sowie einem Beisitz. Die Vorstandsposten waren mit drei Typen besetzt, die sich gegenseitig in ihren Anliegen stets unterstützt haben. Zunächst bis auf die rein cis-männliche Besetzung eine nicht allzu problematische Ausgangssituation. Bei einer regulären Jahreshauptversammlung 2018 wurden die drei auf ihre bisherigen Posten wiedergewählt, der erste Vorsitz war personell schon seit einigen Jahren gleich besetzt. Wie in den meisten Läden haben sich auch hier nicht übermäßig viele Menschen freiwillig angeboten und da alle drei mit ihren Posten zufrieden schienen und diese auch nicht unbedingt abgeben wollten, war das auch ok so. Als es um die Neubesetzung des Beisitzes ging, wurde ich zur Wahl vorgeschlagen, woraufhin von Seiten des Vorstandes noch eine andere Frau* nominiert wurde (kurze Anmerkung hierzu: ich hatte mich insbesondere mit dem ersten Vereinsvorsitzenden nie besonders gut verstanden, daher war nachvollziehbar, dass er wenig Interesse an einer intensiveren Zusammenarbeit mit mir hatte). Da die Situation damit etwas merkwürdig wurde, hat man sich kurzerhand dazu entschlossen, dass mit einer Schriftführerin ein weiterer Vorstandsposten geschaffen werden soll, sodass wir beide je einen Posten erhalten und nicht zwischen uns entschieden werden muss. Die Lösung kam mir zunächst auch sinnvoll vor.
Ein gutes Jahr später war die Zahl der Vereinsmitglieder beträchtlich zurückgegangen. Das lag vor allem an der schlechten Stimmung, die regelmäßig auf den Plena vorherrschte, sowie an einer massiven Druckausübung auf alle Aktiven. Das Fortbestehen des Sabot war stets davon abhängig, dass die entstandenen Kosten mit unseren Veranstaltungen wieder ausgeglichen werden. Alle, die vor allem im DIY-Punk-Bereich Konzerte veranstalten, dürften selbst am besten wissen, dass das nicht immer ganz so einfach gelingt. Dafür müssen dann sowohl möglichst viele Veranstaltungen stattfinden als auch mal die ein oder andere Party, die zwar Geld für den Laden einbringt, aber den aktiven Mitgliedern, die dort umsonst arbeiten, weniger Spaß machen. Im Laufe der Zeit wurde immer öfter von Seiten des Vorstands kritisiert, dass die Einnahmen zu wenig sind, und wir mehr und andere Veranstaltungen über die Bühne bringen müssen. Auch Abende, die finanziell sehr gut liefen, haben selten zu einer Verbesserung dieses Klimas geführt, sondern meistens wurde dann erneut Druck aufgebaut im Hinblick auf kommende Veranstaltungen. Letztlich hat dies dazu geführt, dass zunehmend Mitglieder den Verein verlassen, sich immer weiter zurückgezogen oder sich nur noch für Konzerte freiwillig gemeldet haben, an denen sie auch Spaß hatten. Das Verhältnis zwischen Vorstand und übrig gebliebenen Vereinsmitgliedern wurde im Zuge dessen auch immer schlechter und die Motivation hing oft durch. Niemand hatte mehr Lust auf die immer gleichen Diskussionen auf Plena oder zwischendurch, sodass sich auch zunehmend die Motivation verabschiedete, Konflikte auszudiskutieren. Ich selbst hatte das Booking großteils alleine übernommen und stand mit teilweise bis zu 6 Veranstaltungen pro Monat neben Lohnarbeit bzw. später zeitintensivem Studium dauerhaft ziemlich unter Druck. Da ich aber nicht wollte, dass der Laden eventuell eines Tages nicht mehr besteht, und ich damit außerdem auch keinen Veranstaltungsort mehr hätte, stand für mich zu keiner Zeit realistisch zur Debatte, mich aus dem Verein zurückzuziehen. Dennoch bekam ich meistens vom Vorstand rückgemeldet, dass die Einnahmen zu wenig sind und dass das, was ich leiste, nicht reicht oder falsch ist. Auch das hat das von Anfang an schwierige Verhältnis zunehmend verschlechtert.
Als es dann um die Planung der kommenden Jahreshauptversammlung ging, wurde plötzlich von Vorstandsseite angemerkt, man bräuchte ja in Anbetracht der geringen Mitgliederzahlen keinen ganz so personenstarken Vorstand mehr. Der Wunsch war daher, eine der fünf bestehenden Posten zu streichen, und zwar nicht die erst kürzlich hinzugefügte Schriftführerin sondern den Beisitz, den ich inne hatte. Für mich schien es nach all den Konflikten ziemlich offensichtlich, dass es hierbei nicht wirklich um eine Frage von Positionen als um einzelne Personen geht, und dass man keine Lust mehr auf eine Zusammenarbeit mit mir hat. Mein Eindruck wurde mir zudem von den meisten übrigen Vereinsmitgliedern bestätigt. Als ich dies öffentlich auf dem Plenum thematisiert hatte, wurde nur von einer Vorstandsperson herumgedruckst, dieser Eindruck sei überhaupt nicht beabsichtigt und darum ginge es nicht, der andere anwesende Vorsitz äußerte sich hierzu gar nicht erst. Leider hatte ich allerdings auch keinerlei Unterstützung von den übrigen Anwesenden erhalten. Niemand äußerte sich, obwohl mir außerhalb des Plenums Recht gegeben wurde.

  1. Typen, die sich in ihrer Position unentbehrlich machen

Einige werden sich sicherlich fragen, warum die personelle Besetzung des Vorstands nicht geändert wurde, wenn die Stimmung so immer schlechter wurde. Das lag daran, dass sich niemand sonst bereit erklärt hatte, völlig unerfahren einen der Posten zu übernehmen. Leider wurden die genauen Aufgaben der einzelnen Posten aber nie transparent gemacht, sodass niemand ernsthaft darüber nachdenken konnte, ob sie*er sich um das Amt bewerben möchte bzw. ob auch einfach einzelne Tätigkeiten auf mehr Vereinsmitglieder verteilt werden könnten, sodass eben nicht wenige Personen alles erledigen müssen. Einer der internen Hauptkonflikte war nämlich, dass die Vorstandspersonen sich wünschten, mehr entlastet zu werden. Ich hatte daher mehrmals angesprochen, dass von allen Vereinspositionen genaue Auflistungen über ihre Einzelaufgaben erstellt werden sollten. So könnten wir alle gemeinsam über eine Neuverteilung diskutieren. Dieser Vorschlag wurde leider jedes Mal abgetan und an der fehlenden Transparenz änderte sich nichts. Dementsprechend sank auch die Motivation anderer Vereinsmitglieder, sich mehr einzubringen. Natürlich wollte auch niemand eine Position inne haben, von der man weder die genauen Tätigkeiten noch den üblichen Zeitaufwand kennt. Also blieb alles beim Alten.

  1. Das Übersehen von Frauen*

Im Folgenden schreibe ich aufgrund unserer konkreten Situation im Sabot von Frauen*, jedoch handelt es sich hier um ein Grundproblem, das natürlich ganz generell alle FLINTAs betrifft.
Das strukturelle Problem, was mich persönlich am stärksten getroffen und enttäuscht hat, war allerdings, dass auch in diesem Verein gerade Frauen* immer wieder nicht gesehen, ignoriert oder mundtot gemacht wurden. Leider habe ich hierzu direkt wenige Monate nach meinem Vereinseintritt ein sehr deutliches Beispiel erfahren dürfen. Auf meiner ersten Jahreshauptversammlung erklärte die Person, die sich bis dato ums Booking gekümmert hatte, ihren Vereinsaustritt. Da die Veranstaltungsplanung bis dahin bis auf wenige Ausnahmen lediglich von einer Person gestemmt wurde, schien es sinnvoll, diesen Aufgabenbereich neu zu strukturieren. Irritierenderweise brachte er direkt zur Jahreshauptversammlung einen neuen Menschen mit, der bislang kein Vereinsmitglied war und auch die wenigsten Vereinsmitglieder kannte, und präsentierte ihn als seinen Nachfolger. Das Procedere an sich fand ich schon fragwürdig, jedoch zeigten sich die wenigsten Anwesenden hiervon irritiert, sondern freuten sich, dass direkt eine Lösung des Problems parat scheint. Im Zuge dessen wurde wenigstens direkt vorgeschlagen, man könne sich um die Neuaufstellung einer Bookinggruppe bemühen, damit dieser doch äußerst zeitintensive Aufgabenbereich auf mehrere Menschen verteilt werden kann. Ich hatte wie oben beschrieben bereits zahlreiche Konzerte veranstaltet und entsprechend Erfahrung, daher wollte ich mich hierfür auch gerne anbieten. Erst auf die lautstarke Unterstützung anderer Personen hin, die neben mir saßen, wurde ich in der Gesprächsrunde zu dem Thema bemerkt. Das hätte mich vermutlich weniger gestört, wäre ich nicht bereits kurz vorher schon übergangen worden, als mehrmals ausgedrückt wurde, wie dankbar man für die neu hinzugekommenen Vereinsmitglieder sei. Namentlich benannt wurden dabei immer wieder nur meine beiden männlich gelesenen Freunde, mit denen ich zusammen ins Sabot kam. Das war traurigerweise schon im Laufe der Versammlung zu einer Art Running Gag bei den Leuten, die direkt neben mir saßen, geworden, die jedes Mal auch meinen Namen hinterher riefen. Nachdem mein Interesse am Booking wahrgenommen wurde, wurde erst mal beschlossen, dass dieses Thema aus Zeitgründen auf das nachfolgende reguläre Plenum vertagt wird. Auch bei diesem zeigte sich eine ähnliche Situation. Ein Typ nach dem anderen äußerte vages Interesse an der Veranstaltungsplanung und wurde sofort eifrig für die neue Bookinggruppe notiert, nach dem vierten und letzten wurde ich letztlich auch wahrgenommen. Wenige Monate später hatte ich wie bereits beschrieben die Veranstaltungsplanung komplett alleine an der Backe und so blieb es dann im Wesentlichen auch für die folgenden zwei Jahre bis kurz vor der Ladenschließung im vergangenen Jahr.

Ich möchte hier nochmal betonen, dass ich (fast) niemanden persönlich mit diesem Text anspreche. Es geht mir ausschließlich darum darzulegen, wie sich toxische Verhaltensweisen zeigen und wie zermürbend sie für Betroffene sein können. Auch in einem linken Projekt sollte stets reflektiert werden, ob FLINTAs eine ausreichende Sichtbarkeit zugeschrieben wird und ob sich diese in der bereits vorhandenen Struktur wohlfühlen können oder ob vielleicht doch wieder einige Typen die wesentlichen Dinge unter sich ausmachen. Abschließend ist mir außerdem wichtig, dass Solidarität und gegenseitige Unterstützung für das dauerhafte Gelingen solcher Projekte unabdingbar ist. Auch wenn ihr keine Lust auf die immer gleichen Diskussionen habt und auch wenn ihr wisst, dass unangenehme Diskussionspartner*innen dabei sind, unterstützt euch gegenseitig in euren Anliegen. Zu offensichtlichen Konflikten zu schweigen und einander hängen zu lassen, sollte niemals eine Alternative sein.