Ich habe mich schlussendlich entschlossen, diesen Text zu schreiben und zu veröffentlichen, weil ich zu der Erkenntnis gelangt bin, dass es niemandem weiterhilft, wenn aus falscher Rücksichtnahme nichts gesagt und das Erlebte nur mit einem kleinen Kreis geteilt wird. Darüber hinaus hoffe ich sehr, dass die unterschiedlichen Texte dazu beitragen können, dass andere Menschen nicht die gleichen Erfahrungen machen müssen wie wir oder zumindest schneller merken, was ihnen passiert. Ich habe mich entschieden keine Namen zu nennen, aber durch die zeitliche Einordnung ist für alle Menschen, die näher mit dem Sabot zu tun hatten, klar um welche Person(en) es in diesem Text geht. Des Weiteren beansprucht dieser Text keine Vollständigkeit, sondern spiegelt nur die Dinge wider, wie ich sie erlebt habe oder heute einordne und kann daher auch nur einen subjektiven Eindruck vermitteln. Mir ist bewusst, dass der Text sich an einigen Stellen sehr wage hält aber ich hoffe trotzdem, dass er vermitteln kann, worum es mir geht. Falls durch den Text Fragen entstehen, können diese gerne an die Kontaktadresse der Homepage gestellt werden und ich werde versuchen sie zu beantworten.
Teil I: das Sabot
Das Sabot war ein Ort, an dem ich neue Freundschaften und einen Ort gefunden habe an dem ich mich richtig wohl gefühlt habe, als ich nach Wiesbaden gezogen bin. Und ich dachte eine Zeit lang, dass das für immer so bleibt. Das war 2016 und seit dem ist ziemlich viel passiert. Leider sehr viel Dinge, die ich mühevoll und mit sehr viel Kraft aufarbeiten musste und teilweise immer noch aufarbeiten muss. Das Sabot war für mich ein linker, alternativer Ort, von dem ich dachte es könnte keinen Besseren geben. Wirklich nette Menschen, die ich dort kennen gelernt habe, neue Musikrichtungen und Bands, von denen ich sonst nie etwas gehört hätte, interessante Gespräche an der Theke und das Gefühl von Solidarität und den gemeinsamen Traum eine Ort zu schaffen an dem kein Platz für Rassismus, Sexismus und Homophobie ist. Mit der Zeit aber wich diese romantische Vorstellung eines alternativen Ladens der Realität, in der es häufig dann nur darum ging, dass wir irgendwie die Miete für den Laden rein bekommen mussten und das bedeutete häufig leider: Veranstaltungen zu machen von denen man von vornherein wusste, dass die Gäste und teilweise die Bands, die kommen, sich daneben benehmen und sehr unangenehm werden können. Leider wurde auch nicht das Gefühl vermittelt, das jedes Sabotmitglied Personen rausschmeißen durfte, wenn man der Meinung war, dass diese Person sich wie auch immer daneben benommen hatte. Hinzu kamen regelmäßig Vorwürfe, dass sich an der Theke immer nur über Politik unterhalten werden könnte und das sich die Thekenkräfte super arrogant aufführen würden und dementsprechend die Gäste behandeln würden. Ich kann mich nur daran erinnern, dass mir permanent von Gästen irgendwelche Gespräche über alte Zeiten des Sabots und Politik gedrückt wurden, so dass ich irgendwann das Gefühl hatte, dass alle zurück in ein besseres Sabot wollten bzw. das ich und andere einfach nur ein Störfaktor waren. Intrigen, offensichtliche und nicht so offensichtliche Manipulationen fehlten leider auch nicht und nahmen bis zum Schluss auch kein Ende. Ich würde mittlerweile sogar soweit gehen zu sagen: wenn in links alternativen Räumen linke/subkulturelle/alternative Männer versuchen euch zu sagen wie alles läuft und auch noch die Welt und Politik und das Leben erklären, dann lauft! Lauft davon und kehrt nicht zurück. Warum also hab ich mich nicht sofort umgedreht und bin davon gelaufen, fragt ihr euch vielleicht? Wie ihr euch sicher denken könnt, ist es zum Einen häufig nicht so einfach solche Strukturen zu erkennen und zum Anderen habe ich im Sabot durchaus auch sehr viele positive Erfahrungen gemacht. Ich habe Menschen kennengelernt, mit denen ich heute immer noch befreundet bin und die ich in meinem Leben nicht missen möchte. Ich habe Konzerte und Veranstaltungen mitorganisiert, Bands bekocht und bei mir schlafen lassen. Ich war zweite Vorsitzende des Vereins. Ich habe dort getanzt und gefeiert und ein paar sehr schöne Abende verbracht. Wie also konnte es soweit kommen, dass das Sabot irgendwann ein Ort für mich wurde, an dem ich mich nicht mehr sicher, geborgen und zuhause gefühlt habe? Der Prozess ging schleichend vor sich und hatte vor allem, aber nicht nur, mit einer Person zu tun, die während der ganzen Zeit sehr präsent im Laden und in der Vereinsstruktur war und diese Person war der erste Vorsitzende des Vereins.
Teil II: der erste Vorsitzende des Sabots
Es fällt mir schwer mich genau und unverfälscht daran zu erinnern, wie ich den ersten Vorsitzenden in der ersten Zeit wahrgenommen habe. Jedoch ist mir noch sehr präsent, dass ich bei ihm schon von Anfang an ein schlechtes Bauchgefühl hatte. Dieses wurde jedoch dadurch überlagert, dass um ihn herum so viele nette Menschen waren, bei denen ich kein schlechtes Bauchgefühl hatte und dadurch das ich so euphorisch über diesen Ort war, von dem ich glaubte, er sei durch und durch gut. Zwei Situationen vom Anfang sind mir allerdings noch im Gedächtnis geblieben und daher möchte ich diese gerne erzählen. Bei der einen Situation erzählte der erste Vorsitzende mir, dass ich eventuell schon davon gehört hätte, dass ihm in anderen Städten, in denen er vorher gelebt hatte, sexuell Übergriffigkeiten oder Ähnliches vorgeworfen wurde, dass aber alles ein abgekartetes Spiel gegen ihn sei. Ich muss leider gestehen, dass ich ihm damals einfach geglaubt habe. Heute würde ich sagen, dass das natürlich offensichtlich keine Intrige gegen ihn war, sondern dass er sich wirklich übergriffig verhalten hat. Da er dies in Wiesbaden auch getan hat. Die andere Situation, an die ich mich noch erinnere ist, dass wir zu mehreren im Sabot saßen und eine losgelöste, lockere Stimmung herrschte. Ich stand mit dem ersten Vorsitzenden hinter der Theke und blödelte rum und ob bewusst oder nicht hatte ich das starke Gefühl von ihm abgecheckt zu werden, durch Berührungen und Neckereien mit denen er meiner Meinung nach rausfinden wollte wie weit er bei mir gehen kann. Damals habe ich dem nicht viel beigemessen, da ich wusste, dass er in einer festen Beziehung war und ich daher dachte, dass mein Gefühl ja gar nicht richtig sein kann. Nachdem er wohl zu dem Schluss kam, dass er bei mir wohl nicht weit kommt oder das Interesse verloren hat (worüber ich wirklich froh bin), entwickelt sich zwischen uns eine Freundschaft (das dachte ich damals zumindest). Ohne da jetzt ins Detail zu gehen, hat er mich in diverse Intrigen eingebunden, was unter anderem dazu geführt hat, das ich den Kontakt zu mir sehr wichtigen Menschen abgebrochen habe und zeitweise gar keine Lust mehr hatte überhaupt noch in Wiesbaden zu wohnen. Das klingt jetzt alles vielleicht sehr nüchtern und abgeklärt, aber es war eine tränenreiche und oft verzweifelte Zeit. Außerdem hat er sich anderen Menschen gegenüber wie ein richtiges Arschloch verhalten, hat im Laden rumgebrüllt, hat Menschen angebrüllt und alles damit gerechtfertigt, dass er einen schlechten Tag hatte. Permanent hat er versucht Menschen, die sich für den Laden den Arsch aufgerissen haben, aus dem Laden zu ekeln. Leider fehlen mir für diese Situationen ganz konkrete Beispiele, ich glaube, weil sie einfach die Regel anstatt die Ausnahme waren und alle haben dabei zugeschaut.
Teil III: die Anderen und ich
Die Frage, wie über Jahre hinweg ein solches Verhalten hingenommen werden konnte, beschäftigt mich und andere nun schon seit längerer Zeit. Selbst wenn man keine Kenntnis davon hatte, wie schrecklich er sich in privaten Beziehungen verhalten hat, war zumindest für alle offensichtlich, dass das Verhalten des ersten Vorsitzenden einfach nur scheiße war. Die Frage, die wir uns alle wohl stellen müssen, ist: wie sehr man ein solches Verhalten toleriert, nur um das gemeinsame Ziel eines linken, alternativen und subkulturellen Freiraumes zu erhalten. Wie sehr geht man über seine eigenen Grenzen und die anderer hinweg? Ab wann müsste man was sagen? Wie sehr macht man sich auch manchmal mitschuldig? Das sind alles Fragen, die ich mir in der ersten Zeit in der mir das Ausmaß des Verhaltens des ersten Vorsitzenden in seinen privaten Beziehungen klar geworden ist, immer und immer wieder gestellt habe. Ich konnte einfach nicht verstehen, wie ich ein Verhalten tolerieren konnte, das ich niemand anderem hätte durchgehen lassen, weil ich davon überzeugt bin, dass man so nicht mit Menschen umgeht. Durch sehr viele Gespräche und Hilfe bin ich irgendwann zu der Erkenntnis gelangt, dass bei mir durch diese Person einige Verhaltensweisen hervorgerufen wurden, die ich damals nicht benennen konnte, die aber ganz stark dazu beigetragen haben, dass ich ihn immer wieder in Schutz genommen habe bzw. versucht habe die Wogen zu glätten, zu vermitteln und irgendwie dafür zu sorgen, dass alles harmonisch abläuft. In dem ich also vor allem offene Konflikte vermieden habe, habe auch ich dazu beigetragen, dass sich nichts an dieser schlimmen Situation im Sabot geändert hat. Höchstens habe ich es eventuell für einige Zeit geschafft, dass der Ton sich ein wenig entschärft hat, aber das ging dann auf meine Gesundheit und schlussendlich war ich so am Ende, dass für mich der einzige Ausweg war, das Sabot zu verlassen, da ich das Gefühl hatte, dass sich nie etwas ändern wird und ich es auch nicht schaffte etwas zu verändern. Zum Teil lag das auch daran, dass es zwar hin und wieder vereinzelt Mitglieder vom Sabot gab, die sich offen gegen den ersten Vorsitzenden gestellt haben, aber einfach keinen offenen Rückhalt bei dem Rest bekommen haben. So dass für alle einfach immer wieder der Eindruck entstanden ist, dass sich nie etwas ändern wird. Insgesamt lässt sich wohl sagen, dass es immer schwierig ist, Konflikte auszutragen, wenn man vielleicht nie richtig gelernt hat mit Konflikten umzugehen, wenn aber auch kein entsprechendes Klima vorhanden ist sich das einfach mal zu trauen, sondern wenn immer wieder ein Klima geschaffen wird, in dem wirklich Angst vorherrscht. Angst etwas zu sagen, Angst einen Konflikt auszulösen, Angst davor alles zu zerstören, was bis dahin aufgebaut wurde. Und diese Angst wurde regelmäßig geschürt und das nicht nur vom ersten Vorsitzenden sondern regelmäßig auch von anderen Mitgliedern, die sich in immer wechselnder Konstellation mit dem ersten Vorsitzenden besonders gut verstanden (mich mit eingeschlossen). Insgesamt würde ich sagen, haben alle dazu beigetragen, dass diese Situation so lange bestehen konnte, entweder durch aktives Unterstützen oder dadurch sich den Konflikten komplett zu entziehen und beides muss reflektiert werden. Mir persönlich tut es unendlich leid, dass ich einfach nicht den Mut hatte, Missstände und schreckliches Verhalten anzusprechen und die Konsequenzen auszuhalten und hoffe sehr, dass mir das nicht noch einmal passieren wird.
Übrigens konnte das Ganze nur aufgebrochen werden, weil ein paar Betroffenen irgendwann angefangen haben ehrlich miteinander zu sprechen und all die Lügen und Intrigen hinter sich zu lassen. Und merkten, dass eben dadurch nicht zerstört wird, was für einen gut ist, sondern dass man langsam anfängt alles aufzuarbeiten und zu reflektieren, um für sich selber ein besseres Leben zu schaffen.